Das Aachener Startup dataMatters, eine Ausgründung der RWTH, stellt
klar: Für die Digitalisierung von Städten ist der Einsatz von
Künstlicher Intelligenz deutlich entscheidender als der Aufbau
umfangreicher 3D-Stadtmodelle. „Eine wirklich smarte Stadt basiert auf
intelligenten Systemen, die laufend Daten aus Sensornetzen verarbeiten
und daraus verwertbare Erkenntnisse ableiten“, betont Geschäftsführer
Dr. Daniel Trauth. Aus seiner Sicht beginnen viele Kommunen am
falschen Ende, wenn sie ihre Smart-City-Aktivitäten mit aufwendigen
digitalen Abbildern der Stadtlandschaft starten.
Fehlgeleiteter Fokus auf den „digitalen Zwilling“
Der viel zitierte Begriff des „digitalen Zwillings“ werde häufig
missverstanden, erklärt Trauth. Ohne die Fähigkeit, Sensordaten zu
verarbeiten und Entscheidungen abzuleiten, bleibe ein digitales Modell
ein kostspieliges Abbild ohne echten Mehrwert. „Grafische
Darstellungen allein helfen den Verwaltungen wenig, selbst dann nicht,
wenn neben Straßen und Gebäuden auch Leitungen und Netze abgebildet
sind“, so der Experte. Städte und Stadtwerke bräuchten vor allem
laufend aktualisierte Informationen darüber, was tatsächlich vor Ort
passiert.
Optimierung statt Ästhetisierung: Potenziale im ÖPNV
In Zeiten knapper kommunaler Haushalte empfiehlt Trauth, sich auf
Projekte zu konzentrieren, die durch Optimierung sowohl den Service
verbessern als auch Kosten senken. Ein Paradebeispiel sei der
Öffentliche Personennahverkehr. Moderne Sensorik wie LiDAR in Bussen
und Bahnen könne exakt anzeigen, wie stark einzelne Verbindungen zu
unterschiedlichen Tageszeiten ausgelastet sind. Auf Basis dieser Daten
lasse sich der Fahrplan effizienter gestalten: weniger Wartezeiten,
weniger Überfüllung, weniger Leerfahrten.
Der Gewinn aus einer solchen Optimierung sei enorm, betont Trauth.
Erst wenn dieser Mehrwert realisiert sei, könne man über zusätzliche
Visualisierungen wie interaktive Linienkarten nachdenken – oder die
Mittel stattdessen in weitere smarte Anwendungen investieren, etwa in
die Abfallwirtschaft.
KI als Werkzeug für besseren Service – nicht für Einsparungen auf
Kosten der Bürger
Die Sorge, Kosteneffizienz gehe zulasten der Bevölkerung, sei
unbegründet. Im Gegenteil: KI-basierte Optimierungen führten zu einem
spürbar besseren Angebot. Die digitale Steuerzentrale kenne nicht nur
die momentane Auslastung, sondern beziehe auch Events, Ferienzeiten
und andere Einflussfaktoren in ihre Prognosen ein. Auf dieser Basis
schlägt das System der Leitstelle konkrete Maßnahmen vor – bis hin zur
Personalplanung.
Sensorik für Müllentsorgung und Sicherheit
Neben dem Verkehr sieht Trauth zahlreiche weitere Einsatzfelder.
Müllbehälter könnten beispielsweise mit Füllstandsensoren ausgestattet
werden, sodass die Entsorgung nur dort erfolgt, wo tatsächlich Bedarf
besteht. Das spart Kosten, reduziert Fahrten und verhindert
überquellende Behälter und damit verbundene Müllablagerungen.
Noch wichtiger sei jedoch die Vorsorge vor Naturereignissen. Ein
engmaschiges Netz aus Regen-, Pegel- und Abflusssensoren könne
frühzeitig auf drohende Überschwemmungen hinweisen. Ereignisse wie das
schwere Bahnunglück im Kreis Biberach, ausgelöst durch einen
blockierten Abwasserschacht, zeigten die Bedeutung solcher Systeme.
„Nur wer die reale Situation im Untergrund kennt, kann rechtzeitig
reagieren“, sagt Trauth.
- Dreistufiges Warnsystem für extreme Wetterlagen
- dataMatters hat dafür ein eigenes System entwickelt:
- Wetterstationen auf neuralgischen Höhenpunkten.
- Pegelüberwachung an Flüssen, Brücken und kritischen Durchlässen.
- Sensorik an Gullys und in der Kanalisation, um Verstopfungen
automatisch zu erfassen.
Alle Signale laufen in einer zentralen KI zusammen, die kontinuierlich
mit Wetterdaten und Prognosen gefüttert wird.
Verknüpfte Daten für einen umfassenden Blick auf die Stadt
Die gesammelten Umweltinformationen – etwa zu Schneefällen, Feinstaub
oder CO₂ – können zusätzlich genutzt werden, um Verkehrsströme zu
lenken oder gesundheitliche Belastungen zu reduzieren. Die KI
beherrsche nicht nur die Optimierung des ÖPNV, sondern schlage auch
Maßnahmen für den Straßenverkehr insgesamt vor.
urbanOS: Ein Betriebssystem für die Stadt der Zukunft
Um Kommunen bei der Verarbeitung dieser Datenflut zu unterstützen, hat
dataMatters das System urbanOS entwickelt. Es fungiert als städtisches
Betriebssystem mit integrierter „Real-world AI“. Im Gegensatz zu
generativer KI, die Texte oder Bilder erzeugt, arbeitet diese KI
ausschließlich mit realen Sensordaten.
Die Verantwortlichen erhalten die wichtigsten Informationen in einem
klar strukturierten Dashboard, das mit einem Ampelsystem arbeitet und
sofort anzeigt, wo Handlungsbedarf besteht. 3D-Visualisierungen sind
darin bewusst nicht vorgesehen. „Darum kümmern sich bereits andere
Anbieter“, sagt Trauth. „Kommunale Mittel sollte man lieber in echte
Verbesserungen vor Ort investieren.“